Ralf Marczinczik

Gespräch mit Ralf Marczinczik, Grafikdesigner, Concept Artist und Art Director und seit 2013 auch als Comic-Zeichner tätig. Das Interview entstand am Rande des Comic-Salons Erlangen 2014.
Ralf ist Preisträger des besten Fußball-Comics 2013 der Deutschen Akademie für Fußball-Kultur mit „Niemandsland“. Veröffentlichungen: U-Comix, „The Art of Gothic 3“, div. Buch- und Magazincover.

S-/W-Foto von Ralph Marczinczik
(C) Ralf Marczinczik

Beginnen wir mit einer Standardfrage: Seit wann zeichnest du?
Das lässt sich kurz und knackig beantworten: Seit ich drei bin, und seither habe ich nie damit aufgehört – heute bin ich übrigens 47.

Und wie würdest du dich selbst heute bezeichnen – als Grafiker, Zeichner, Maler, Künstler…?
Grafiker ist sicherlich der Oberbegriff. Früher hätte ich mich zudem wohl als Art Director und Illustrator – besonders für Games – bezeichnet, der hobbymäßig Comics macht, denn ich war lange Zeit als Art Director für Spiele tätig. Das ist aber gerade dabei, sich zu ändern: Jetzt sage ich, ich bin ein Comiczeichner, und um die Miete zu bezahlen, mache ich nebenher ein bisschen Art Direction und Games!

Dann beschreibe doch bitte einmal kurz deinen Werdegang vom Art Director zum Comiczeichner!
Nach meinem Grafikdesign-Studium in Essen bin ich zunächst mal beim Animationsfilm gelandet und habe z.B. meinen bescheidenen Beitrag zu „Petzi“ und „Die Sendung mit der Maus“ geleistet. Dann kamen die Computerspiele richtig groß raus, und ich hatte das Glück, als Art Director an bekannten Titeln mitarbeiten zu können, wie z.B. „Moorhuhn“ und „Gothic“. Die letzten Jahre ging es dann vor allem um Spiele für mobile Endgeräte. Dann habe ich mit einem Fußball-Comic einen Wettbewerb gewonnen, und damit war die Motivation gegeben, eigene Projekte anzugehen. Und jetzt möchte ich endlich auch mal der eigenen Muse folgen und meine Comic-Ideen veröffentlichen – wohl wissend, dass ich damit vermutlich meinem finanziellen Ruin entgegensehe (lacht)!

Ausschnitt aus "Das Wunder"
(C) Ralf Marczinczik

Impression aus Ralfs Webcomic „Das Wunder“, (C) Ralf Marczinczik

Wer oder was hat dich denn am meisten beeinflusst? Gibt oder gab es Vorbilder?
Wenn mich etwas beeinflusst hat, dann am ehesten Comics aus dem Erwachsenenbereich, also das, was in U-Comix zu sehen war, und natürlich der große Moebius. Fix & Foxi und ähnliche Sachen habe ich dagegen eher weniger gelesen.

Ausschnitt aus "Das Wunder"
(C) Ralf Marczinczik

Impression aus Ralfs Webcomic „Das Wunder“, (C) Ralf Marczinczik

Was sind deine wichtigsten aktuellen Projekte?
Da wäre zum einen mein Großprojekt, „Weiße Lügen“ – so der Arbeitstitel – ein historischer Krimi, der im Bergbaumilieu spielt, da steckt also ein bisschen Charles Dickens in der Story.
Und dann mein Webcomic „Das Wunder“, von dem ich jede Woche eine Seite auf meiner Homepage und auf toonsup veröffentliche, wobei das Wunder von Bern  – der deutsche WM-Sieg 1954 – als roter Faden dient.

 

Was ist das Faszinierende an Fußball im Comic?
Tja, mit Fußball selbst habe ich eigentlich auch nicht übermäßig viel am Hut. Bei „Das Wunder“ handelt es sich mehr um eine Zeitbetrachtung. Die Fußball-WMs von 1954 und 2006 bilden sozusagen die zeitliche Klammer der geschilderten Episoden. Mich fasziniert daran die gesellschaftliche Dimension: Der WM-Sieg von Bern – und das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre, das damit zusammenhängt – hat die deutsche Seele verändert, und ähnliches ist passiert bei der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land. Das versuche ich so ein bisschen auszuloten mit meinem Webcomic.

Ausschnitt aus "Das Wunder"
(C) Ralf Marczinczik

Impression aus Ralfs Webcomic „Das Wunder“, (C) Ralf Marczinczik

Auch Dein ‚Bergbaucomic‘ „Weiße Lügen“ hat ja eine gesellschaftliche Dimension, denke ich.
Ja, das Gesellschaftliche spielt dort auch eine Rolle – die Geschichte der Arbeiterbewegung schwingt da mit, und die irre harten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen damals in den Grubenschächten. Das ist mir auch sehr wichtig bei ‚Weiße Lügen‘, ich möchte nicht nur einen Krimi erzählen oder nur Historie darstellen, sondern auch die humanistische Komponente dabei schildern.

Ausschnitt aus "Weiße Lügen"
(C) Ralf Marczinczik

Entwurf zu „Weiße Lügen“, (C) Ralf Marczinczik

Worin liegt die besondere Herausforderung, Bergbau in einer Graphic Novel darzustellen?
Oh, da gibt es gleich mehrere Dinge: Im Gegensatz zu einem Roman z.B. bekommt man als Leser die rauen Lebensbedingungen dabei automatisch mit, eben durch die grafische Darstellung, das muss ich gar nicht extra durch Text betonen. Das gibt mir dann die Möglichkeit, anderes mit einzubeziehen. Und stellt mich natürlich andererseits vor die Herausforderung, das grafisch gut rüberzubringen!
Viele mögen vielleicht auf den ersten Blick auch denken ‚Bergbau, das ist ja ein langweiliges Thema‘. Das Spannende ist dann  –  und das ist ähnlich wie beim ‚Wunder‘ – ein Thema so interessant zu gestalten, dass die Leser es gerne lesen, und dass ich es gerne zeichne und erzähle! Dann ist ‚Bergbau im Comic‘ natürlich auch ein Thema, das das sonst keiner macht, und das mich gerade deshalb reizt, auch weil sich das ja sozusagen direkt vor meiner Haustür abgespielt hat. (Ralf lebt in Bochum, Anm. S.M.)

Hast du zuerst die Bilder im Kopf oder die Story?
Das geschieht eigentlich parallel. Mir fällt ein Thema ein, und dann überlege ich, wie ich die Geschichte dazu von ihrer Struktur und Architektur her am besten aufbaue, damit sie so funktioniert, wie ich mir das vorstelle. Diese Faszination an der guten Struktur von „Bildgeschichten“ deckt sich auch mit meiner Tätigkeit an der Filmhochschule in Bochum, wo ich Film unterrichte. Wenn ich mich dann in die Details meiner Geschichten vortaste, entstehen quasi automatisch die Bilder dazu.

Ausschnitt aus "Weiße Lügen"
(C) Ralf Marczinczik

Entwurf zu „Weiße Lügen“, (C) Ralf Marczinczik

Viele Hobbyzeichner finden es schwierig, bei einer längeren Geschichte auch über einen längeren Zeitraum hinweg am Ball zu bleiben.  Wie motivierst du dich, durchzuhalten?
Also, eines ist ganz klar: Von Graphic Novels allein kann man nicht leben! Die Zeit, die einem dafür zur Verfügung steht, wird also immer begrenzt sein, weil man noch andere Dinge nebenher schaffen muss. Da empfiehlt es sich, einen guten Plan für solche „Herzensprojekte“ zu haben, und den ab und zu abzuchecken, in sich zu gehen und zu fragen, will ich das noch, und ist meine Zeitplanung noch realistisch.
Bei mir war es so, dass ich „Weiße Lügen“ z.B. vor vier Jahren konzipiert habe. Beim Comic-Zeichner-Seminar 2013 in Wolfenbüttel, also vor einem Jahr,  hat FLIX mir dann Mut gemacht, und sein Lob hat mich angespornt, das Ganze wirklich durchzuziehen.

Hast du denn dann einen Verlag dafür?
Ja, und das ist natürlich auch eine Motivation. Das hat sich auch über den Comic-Salon 2012 ergeben, dass da ein Verlag erstes Interesse an einer Veröffentlichung gezeigt hat. Realistisch betrachtet kann der erste Teil von „Weiße Lügen“ vermutlich in anderthalb Jahren, also Ende 2015 vorliegen, wenn alles glatt läuft.

Wie zeichnest du? Was sind deine Werkzeuge?
Mit allem! Also zunächst ganz analog mit Bleistift, Pinsel, Papier, Stift, Feder und Karton, je nachdem, womit ich meine aktuelle Idee am besten umsetzen kann. Anschließend scanne ich das Ganze ein und koloriere am Computer – das hat ganz einfach den Vorteil, dass es viel schneller geht als per Hand. Ich zeichne übrigens auf A3 oder manchmal sogar auf A2-Bögen, denn einen A3-Scanner und auch einen A3-Drucker betrachte ich als Standard-Werkzeuge für professionelle Illustratoren.

Worauf achtest du sofort, wenn du einen Comic betrachtest?
Thematisch gibt es da ein breites Spektrum an Sachen, die ich interessant finde, von Liebesgeschichten über Historisches… Es muss nicht unbedingt gut gezeichnet sein, sondern eine spannende Story zu bieten haben, und das Bild muss zum Text passen. Wenn das Bild-Text-Verhältnis stimmt, eine Symbiose eingeht, passiert beim Lesen etwas mit dem Leser, dann nimmt es einen mit… „Maus“ von Spiegelmann ist ein gutes Beispiel dafür, auf den ersten Blick wirken die Zeichnungen anstrengend, aber ist man erst einmal drin, taucht man als Leser auch sofort ein in den Sog der Story, und es lässt einen so schnell nicht wieder los!

Was wünschst du dir für dein zukünftiges Schaffen?
Ich bin eigentlich gerade ganz zufrieden mit der Richtung, die das gerade nimmt. Die Kontakte, die sich derzeit anbahnen, sind genau richtig – so kann’s weitergehen!

Viel Erfolg und vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Sylvia Marquardt.

Mehr Informationen im Internet unter:

Ralfs Homepage