Gespräch mit Horst Gotta, Geschäftsführer, Mitinhaber, Redakteur und Zeichner des Splitter Verlags. Das Interview entstand am Rande des Comic-Salons Erlangen 2016.
Die Philosophie des Splitter Verlags lautet: außergewöhnliche, vornehmlich frankobelgische, aber auch US-amerikanische Comicerzählungen in bestmöglicher Ausstattung zum erschwinglichen Preis zu bieten und sie mit innovativen Ideen und interessanten Formaten an die Leserinnen und Leser zu bringen. Der Fokus von Splitter liegt auf Genre-Unterhaltung jeglicher Couleur, in puncto Vielfalt versteht Splitter sich als breit aufgestellter Themenverlag.
Beim Durchblättern der Leseproben auf eurer Homepage habe ich folgenden Eindruck von eurem Programm gewonnen: es sind überwiegend düstere, oder sagen wir mystische Geschichten, sowie Abenteuerstorys, und sie sind häufig bunt, aquarellig gehalten, eher weniger schwarz-weiß. Stimmt das so?
Ja, obwohl ich es vielleicht ein bisschen anders ausdrücken würde: Wir kommen ja letztendlich aus dem Science-Fiction und Fantasy-Bereich; das ist unsere Tradition, da sind wir gestartet, und da kommen wir auch selbst als Künstler her. Und düster… die Fantasy hat halt im Moment diesen düsteren Trend; die Drachen sind nicht mehr so freundlich, die Zombies sind aufgetaucht. Wir suchen da nicht bewusst nach düsteren Themen, das ist eher der Trend draußen am Markt.
Coverillustration von Peter Mennigen, Ingo Römling, Malcom Max Band 3: Nightfall
(C) Splitter Verlag
Was sind denn deine persönlichen Lieblingstitel aus dem aktuellen Programm, die ihr hier in Erlangen dabei habt?
Seit einigen Jahren sind wir deutlich aktiver in der Zusammenarbeit mit deutschen Künstlerinnen und Künstlern. Meine persönliche Lieblingsserie ist „Malcom Max“, da ist gerade der dritte Band erschienen. Ingo Römling, der Zeichner, und Peter Mennigen, der Autor, legen da viel künstlerisches Engagement hinein. Von Mennigen stammt die Idee zur Figur des Malcolm Max, deren Abenteuer zuvor bereits als Romanreihe und als Hörspielserie existierten. Die Comics setzen zeitlich nach den ersten sieben Folgen der Hörspielserie ein. Wir wollten mit dieser Serie einen deutschen Künstler so etablieren, dass er eine gut laufende Album-Serie in Deutschland hat und auch erfolgreich Lizenzen ins Ausland verkaufen kann, und das ist uns auch gelungen.
Dann kann ich noch nennen „Post aus dem Jenseits“ von Eric Liberge, das ist das Prequel zu „Monsieur Mardi Gras“, auf das die ganze Fangemeinde 15 Jahre lang gewartet hat. Die ursprüngliche Comicserie ist eine Erzählung von dem, was mit uns als Gesellschaft passiert nach dem Tod – eine düster-schwarze Parodie; alle sind tot, aber das Leben geht quasi genauso weiter, z.B. mit einem Staats- und Verwaltungsapparat, nicht gerade paradiesisch… Die vierbändige Serie war in sich abgeschlossen, aber jetzt hat Eric Liberge sie sich noch einmal vorgenommen und das Prequel geschaffen. Das ist auch ein besonderes Werk, weil alle so viele Jahre darauf gewartet haben, dass da noch einmal was kommt.
Coverillustration von Éric Liberge, Post aus dem Jenseits
(C) Splitter Verlag
Bei der Serie „Legende der Drachenritter“ bleibt der Autor gleich, aber für jeden Band steht ein anderer Zeichner, bei „Elfen“ ist es jedes Mal ein völlig neues Autoren-/Zeichner-Duo: Ist das ungewöhnlich oder normal in der Comicwelt bei solchen auf viele Bände angelegten Universen?
Das kann man tatsächlich schon als normal bezeichnen. Es ist ein Trend, der vor ca. zehn Jahren gestartet wurde, ich nenne das Konzept-Serien, also Serien, die von Vornherein auf Kontinuität, auf Output, viele Bände und rasche Erscheinungsabfolge angelegt werden. Es gibt verschiedene Gründe, das dann mit wechselnden Zeichner/Autorenteams durchzuführen: Die einzelnen Bände können schneller erscheinen, wenn mehrere Personen daran arbeiten, manchmal wollen sich auch die Künstler z.B. nur auf ein Jahr festlegen. Manchmal gibt es aber auch von der Geschichte her Gründe. Bei der „Legende der Drachenritter“ handelt es sich übrigens um ein Autorenduo, und die beiden haben die Serie von Anfang an so festgelegt, dass sie immer von neuen Künstlern belebt werden sollte, damit immer wieder neue Akzente ins Spiel kommen. Grundmotiv ist ja, dass nur Jungfrauen Drachen besiegen können, und bei diesem Thema kann immer ein anderer Akzent in den Vordergrund gestellt werden: mal das Jungfräuliche, mal die Drachen, mal das Gesellschaftliche. Die Geschichten haben also ganz unterschiedliche Ansätze rund um dieselbe Grundidee. Also ganz bewusst eine Konzept-Serie, um der Serie grafisches und inhaltliches Leben einzuhauchen.
Coverillustration von Ange/Looky, Die Legende der Drachenritter Band 20 – Die Geburt eines Kaiserreichs
(C) Splitter Verlag
Bei „Elfen“ dagegen ging es von vornherein darum, die Bände in möglichst schneller Reihenfolge herausbringen zu können, um den Trend bestmöglich ausnutzen zu können.
Trägt das zum Erfolg dieser Serien bei?
Ja, weil die Leserinnen und Leser natürlich ungerne zwei Jahre auf den nächsten Band warten, wenn sie sich einmal mit einer Serie angefreundet haben. In diesem Sinne ist der Markt auch schnelllebiger geworden, und es trägt auf jeden Fall zum Erfolg einer Serie bei, wenn der Leser von Anfang an weiß, dass hier mit schnellen Nachfolgebänden zu rechnen ist: Weil sie schneller erscheinen, binden sie ihre Fanbase besser.
Ausschnitt aus Nicolas Jarry/Gianluca Maconi/Heban, Elfen Band 12 – Die Königin der Waldelfen
(C) Splitter Verlag
Ist das nicht auch ein Risiko, wenn jeder Band von einem anderen Zeichner gestaltet wird, weil sich die Leserin oder der Leser dann jedes Mal umgewöhnen muss?
Wenn das von vornherein so angelegt ist, eigentlich nicht. Es ist eher umgekehrt: Wenn ein Zeichner eine Serie nach 20, 25 Jahren verlässt und jemand anderes die übernimmt, ist das fast immer mit einem Verlust an Leserschaft verbunden. Ist eine Serie von vornherein auf mehrere Künstler angelegt, dann ist sie auch offener angelegt, z.B. indem man sie mit mehreren Protagonisten besetzt. Bevor man sich einer Figur von fünf verschiedenen Künstlern gezeichnet annähert, erzählt man lieber dieselbe Grundstory mit fünf verschiedenen Protagonisten. Oder es gibt in der Serie von Beginn an verschiedene Handlungsstränge, die mit verschiedenen Charakteren verknüpft sind. Dann wird das auch von Leserseite her sehr gerne akzeptiert.
Cover von Robert Feldhoff/ Dirk Schulz, Indigo – Gesamtausgabe
(C) Splitter Verlag
Kurz zurück zu eurer Geschichte: Es gab schon einmal einen Splitter Verlag, und der jetzige wurde 2006 neu gegründet – wie war das genau?
Wir haben vom alten Splitter Verlag nur den Namen übernommen und das traditionelle Segment – Fantasy; das ist auch der Grund, weswegen wir diesen Namen haben wollten. Geschäftlich hat der jetzige Splitter Verlag nichts mit dem alten zu tun. Der alte war vor zwanzig Jahren insolvent gegangen; nach zehn Jahren werden dann die Namensrechte frei und sind als Marke eintragbar, und die haben wir uns dann gesichert. Künstlerisch gibt es Gemeinsamkeiten insofern, als der jetzige Mitinhaber und Verleger Dirk Schulz früher Zeichner beim alten Splitter Verlag war. Als Inhaber und Geschäftsführer sind wir zu dritt: Dirk Schulz und ich sind ursprünglich Zeichner, Delia Wüllner-Schulz ist Autorin. Dieses Jahr feiern wir also unser 10jähriges Jubiläum, und wir haben beschlossen, das nicht auf einen bestimmten Tag zu konzentrieren sondern über das ganze Jahr 2016 mit zehn Sondereditionen zu verstreuen, z.B. mit der Herausgabe der Gesamtausgabe von Dirks „Indigo“-Reihe. Unser eigenes zeichnerisches Schaffen haben wir ansonsten sehr zurückgefahren zugunsten der verlegerischen Tätigkeit – das war anfangs nicht so geplant gewesen, hat sich aber rasch so entwickelt, weil wir mit den Lizenzeinkäufen großen Erfolg hatten und dann schnell nachlegen mussten:
Angefangen haben wir mit zwei Neuerscheinungen im Monat und sind dann sukzessive gewachsen, mittlerweile sind wir bei 15, plus Sondertitel plus Nachauflagen. Insgesamt haben wir 1.300 Titel im Programm, und im Alben-Segment sind wir seit drei, vier Jahren die Nummer 1. Das Besondere ist ja auch, dass alle unsere Titel lieferbar sind. Auch das ist anders als bei anderen Verlagen: Unsere Backlist macht mittlerweile 80% unseres Umsatzes aus – bei den meisten anderen Verlagen ist es umgekehrt, die müssen ihren Umsatz über die Neuerscheinungen generieren. Das war damals auch eine bewusste Entscheidung, es anders zu machen als alle anderen.
Ausschnitt aus Robert Feldhoff/Dirk Schulz, Indigo Gesamtausgabe
(C) Splitter Verlag
Dabei habt ihr habt den Fokus eher auf internationale als auf deutschen Künstlern gerichtet: Stimmt das, und warum ist das so?
Ja, der Lizenzeinkauf ist zwingend, weil man vom deutschen Markt her nichts generieren kann, wovon man leben könnte. 80% kaufen wir im franko-belgischen Bereich ein, 10% im amerikanischen, und den Rest machen dann 10% aus. Thematisch gehen wir seit drei Jahren in die Breite, indem wir mehr Graphic Novels und mehr amerikanisches Material machen, auch ArtBooks. Der Motor für das, was wir tun, ist, uns breiter aufzustellen am Markt: Wir möchten mehr Verkaufsstellen, mehr Buchhandlungen erreichen. Der Comicfachhandel ist in Deutschland seit Jahren eine feste Größe, Wachstum ist da nur über die Buchhandlungen zu erreichen. Da probieren wir verschiedenes aus, und was funktioniert wird beibehalten. Artbooks z.B. haben wir etwas zurückgefahren, Graphic Novels und amerikanische Sachen haben wir beibehalten. Wir haben dann auch noch ein zweites Label, Toonfish, für unsere Funny-Reihen.
Cover zu Kai Meyer/Yann Krehl/ Ralf Schlüter, Das Wolkenvolk – Drache und Diamant, Sechstes Buch: Pangu
(C) Splitter Verlag
Als deutsche Künstler zu nennen wären z.B. Ingo Römling oder die Reihe „Das Wolkenvolk“, eine Adaption von Kai Meyers Romantrilogie. Wir haben die Comicversion einmal in sechs Alben und, für den Buchhandel, in drei Büchern herausgebracht. Dirk und ich haben anfangs daran als Zeichner mitgearbeitet, Hauptzeichner war jedoch Ralf Schlüter. Yann Krehl hatte zuvor die Textadaption vom Roman für den Comic geschrieben. Solche Projekte machen wir öfter, also Romanrechte einkaufen um daraus Comic-Adaptionen zu machen. Kai Meyers „Frostfeuer“-Trilogie mit Marie Sann als Zeichnerin ist ein weiteres Beispiel, oder die Adaption von Markus Heitz‘ Romanreihe „Die Zwerge“. Viele Autoren stellen sich ihre Werke ja beim Schreiben bildlich vor und sind oft froh über die Möglichkeit, einen Comic daraus machen lassen zu können.
Ausschnitt aus Kai Meyer/Yann Krehl/Marie Sann, Frostfeuer – Buchaussgabe
(C) Splitter Verlag
Mein Eindruck ist, dass das Publikum für Comics & Graphic Novels nach wie vor eher gering ist – es gibt zwar möglicherweise mehr gute Comics heute in Deutschland, aber die Anzahl der Leser hat sich nicht im gleichen Schritt mit vergrößert. Siehst du das auch so?
Wir haben eigentlich andere Erfahrungen gemacht. In den zehn Jahren unseres Bestehens haben wir eigentlich alles hinbekommen, von dem es vorher hieß, das sei nicht möglich. Wir haben z.B. abgesprungene Leser wieder re-aktiviert, und wir haben auch neue Leserschaften generieren können, zusätzlich zur Basis der treuen Comicleser, die immer schon Comics gelesen haben. Das hängt möglicherweise mit unserer eigenen Art der Philosophie zusammen: Splitter-Alben sind ja alle vom Format, vom Papier, von der Erscheinung etc. her gleich, und wenn man sich die z.B. alle nebeneinander ins Regal stellt, ergibt das dann den Eindruck einer bibliophilen Ausgabe, die Bände passen alle zueinander – ein Gesamtkunstwerk. 95% unseres Programms läuft auf diesem Album-Format.
Wir haben die Comics erwachsen gemacht, so wie die Leserinnen und Leser erwachsen geworden sind, eben auch durch die Betonung von Qualität, Hochwertigkeit, Haltbarkeit. Leserinnen und Leser mit Inhalten abzuholen – im Sinne von grafischen Inhalten – erfordert aber auch eine gewisse Lesekompetenz: Ob man jemanden neu als Comicleser gewinnen kann, der noch nie in seinem Leben ein Comic gelesen hat, würde ich bezweifeln, aber wir haben viele Leser, die sagen, ich habe als Kind Comics gelesen und lese jetzt wieder welche, und für den Markt gesehen sind das neue Kunden, wenn sie z.B. in den 70er/80er Jahren für den Comicmarkt verloren gegangen waren.
Ausschnitt aus Erich Maria Remarque/Gaby van Borstel/Peter Eickmeyer, Im Westen nichts Neues – Graphic Novel
(C) Splitter Verlag
Und zur Graphic Novel: Einer unserer Bestseller ist ja „Im Westen nichts Neues“, die Adaption von Erich Maria Remarques Roman durch Peter Eickmeyer als Zeichner und Gaby van Borstel als Texterin, den haben wir als Graphic Novel angelegt und das Erscheinungsdatum auch bewusst gelegt auf die 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs 2014. Das ist große Malerei, die serielle Bilderfolge fast aufgelöst, enthält auch keine Sprechblasen und geht im Ganzen mehr in Richtung Künstler-Artwork. Für den Künstler war das auch insofern ein großer Erfolg, als er alle Originale, die Ölgemälde und Aquarelle, komplett an die Remarque-Stiftung verkaufen konnte, die daraus eine Dauer-Ausstellung gemacht hat. Das hat Peter Eickmeyer dann auch ermutigt, sein nächstes Werk anzugehen, da wird es um „Mare Nostrum“ gehen, eine künstlerische Dokumentation der Situation der Flüchtlinge am Mittelmeer, wahrscheinlich in Form einer künstlerischen Reportage. Das wird dann nächstes Jahr unsere große Graphic-Novel sein.
Die Graphic Novel verfolgt ja einen anderen Ansatz als die Alben: Zu 80-90% nimmt sie sich ein kulturelles, soziales populäres Thema vor, über das dann die Interessenten bzw. Leser gebunden werden sollen – das ist typisch für fast alle Graphic Novels.
Die Graphic Novels finden ihre Leser also über die Thematik – aber ist da bei den Alben nicht genauso?
Die Alben haben im Prinzip ihr eigenes originäres Leben, das mit dem, was in der Welt stattfindet, mit dem tagespolitischen Geschäft, nur zweitrangig zu tun hat. Hinzukommt, dass die Alben ja als Serien angelegt sind, und das bedingt einfach, dass die Figuren, Handlungsorte, Erzählungen eigenständiger sind. Graphic Novels nehmen sich im Gegensatz dazu ein populäres Thema vor; häufig – nicht immer – sozialen Sprengstoff, Reizthemen, und aus diesen Themen heraus erklärt sich in den meisten Fällen der Erfolg der Graphic Novels. Das schmälert nicht die künstlerische Leistung, aber das ist konzeptionell einfach etwas anderes. Daraus erklären sich dann auch wieder die Vor- und Nachteile der Graphic Novel. Ein Vorteil ist, ich kann Menschen damit ansprechen, die ich sonst nie erreichen würde. Der Haken dabei: In der Regel sind diese Menschen auch nur an diesem einen speziellen Comic bzw. der Graphic Novel interessiert, das heißt, die werden in der Regel keine Serienleser. Und aus Verlegersicht heißt das: Alles, was erfolgreich ist, Leserinnen und Leser bindet, ist auf Fortsetzung angelegt. Die sogenannten „Oneshots“ können auch erfolgreich sein, aber das schwieriger zu steuern.
Bringt ihr eure Bücher aus als e-books heraus?
Im Splitter-Programm haben wir zurzeit um die 50 Titel als e-books, im toonfish-Programm um die 70, überwiegend die „Schlümpfe“, da ist es auch von den Lizenzgebern durchaus gewollt, die Popularität der Schlümpfe auf allen Feldern auszunutzen. Im Albenprogramm sind es überwiegend die deutschen Titel – das ist auch eine Sache der Rechtevergabe – und die Bestseller.
Aber das e-book-Geschäft zündet im Albenmarkt nicht, im Gegenteil, es geht sogar zurück. In der derzeitigen Ausprägung ist der Abstand zum Album wohl zu groß und wird sich vielleicht sogar noch vergrößern, denn die Alben nehmen ihren Weg eher zum Veredeln, zum Hochwertigen, während bei e-books ja von Leserseite aus die Erwartung besteht, dass Download-Produkte günstig sein sollten. Aber wenn wir einen günstigen Download anbieten, können wir nicht ein vergleichbar günstiges Buch anbieten, also geht die Argumentationskette für e-books und für klassische Alben eher auseinander. Das große Format der Alben im Gegensatz zu den kleinen mobilen Geräten stellt außerdem einen weiteren Schutzfaktor dar.
Früher hat man oft geglaubt, dass die Leserschaft den Stoff irgendwann nur noch auf elektronischen Geräten hat und dann damit zufrieden ist, ähnlich wie bei Musik: Da kann der Durchschnittshörer nicht unbedingt unterscheiden, ob die Musik, die ihm gerade vorgespielt wird, von einer CD kommt oder ein Download oder Streaming-Abo ist. Aber bei Comics ist das eben nicht dasselbe. Oder wenn man das mit einem normalen Leseroman vergleicht: Da steht das e-book in tatsächlicher Konkurrenz zum Roman, denn ich verkaufe ja bei einem klassischen Roman nicht die hohe Herstellungsqualität, sondern einfach den Leseinhalt. Und für manche ist es so, dass die Lesequalität bei e-readern sogar besser ist als auf Papier, z.B. wenn das Schriftbild individuell einstellbar ist usw. Daher ist der Roman wohl gefährdet, aber das klassische Comicalbum nicht – das sehen wir im Moment sehr entspannt.
Letzte Frage: Was wünscht du dir für die deutsche Comicszene in den nächsten Jahren?
Wir sind ja davon überzeugt, dass der Comic eine Kunstform ist. Und da würde ich mir wünschen, dass das auch im Kulturbetrieb und in der Kulturpolitik mehr anerkannt würde, auch, wie hochwertig die Comickultur ist. Denn die Integration von Text und Bild ist in der Komplexität nur vergleichbar mit einem großen Orchester. Ich vergleiche einen Roman z.B. mit der Stimme eines einzelnen Instrumentes, einem guten Solo. Ein komplexer, gut erzählter Comic ist dagegen ein großartiges Konzert. Und deshalb sollten auch die Kulturminister und die Medien sich stärker einsetzen für diese Kunstform. Aktuell ist es so, dass vielleicht die Graphic Novels als literarische Werke betrachtet werden – alle anderen Comics werden nach wie vor als „bloßer Kinderkram“ abgetan. Aber als ich meinen ersten franko-belgischen Comic gelesen habe, mit elf Jahren, war das auch der letzte Tag, an dem ich „Micky Maus“ gelesen habe! Und trotzdem habe ich seither fast jeden Tag einen Comic gelesen. Also, man kann auch als Erwachsener sehr gut Comics lesen, ohne bei „Micky Maus“ stehen zu bleiben! Diese Erkenntnis sollte sich unbedingt weiter verbreiten und durchsetzen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Sylvia Marquardt
Weitere Informationen auch unter:
http://www.splitter-verlag.eu